Mittwoch 17. April
Ich hab ohne CPAP gut durchgeschlafen und steh um acht auf montiere meinen Kram. Miguel kümmert sich rührend um mich. Ich hab gestern icht geschafft einen Zweiten Stempel zu ergattern, weil in Arcada definitiv nix offen hatte. 200 Meter weiter ist ein Souvenier- und Kaffeestand. Miguel begleitet mich um der Händlerin beizubiegen, dass ich einen Stempel mit dem Datum von gestern benötige. Klappt.


Ich dachte ich hätte für diese Etappe gestern den schlimmsten Buckel hinter mich gebracht, aber das war eher ein sanfter Anstieg. Das was mich hier erwartet hat war wirklich extrem steil hoch steil runter. Ein Gruppe Buspilger überholt mich, zunächst nervt mich dieser plappernde Haufen,

als am nächsten Anstieg jedoch Steine und Stufen im Weg sind, greifen 4 von den Herren beherzt zu und tragen meinen Rollator drüber hinweg. Danke ihr Lieben. Ich bin immer wieder geneigt auf die N-550 zu wechseln, aber ich bin nicht hier um Nationalstraßen zu besichtigen, sondern meinen Weg zu finden. Und immer, wenn ich einen leichten Weg ging wars verkehrt.
Doch das war leider erst der Anfang.

Durch einen kleinen Ort, den Berg hoch, auf der anderen Seite wieder ganz runter über eine Dorfstraße nochmal runter zu einem wunderbaren Rastplatz. Einem Waldweg hoch.


OUMPFF

Der Huppel sieht aus wie das Felsenmeer, nur nicht so aufgeräumt. Ich Versuch den Rollator hoch zu schleppen. Komm ca. 5 Meter weit und stelle fest, das geht so nicht. Also die Sherpa Nummer. Ich schnall die Packtaschen ab und schleppe sie 30 Meter bis zur nächsten Kehre, japs eine Runde, weil ich kaum noch Luft kriege, stell fest, hier muss ich wohl abbrechen will wieder runter meinen Rucksack und dann den Rollator holen, da kommen mir Pilger entgegen die meinen Rollator und meinen Rucksack dabei haben, auf der andern Seite runter wieder Felsen kein Problem ich kann mit meinem Rollator ja halbwegs umgehen, nur die Bremsen. Oben ein Stück fester Waldweg, ich bedanke mich bei den Helfern, die ziehen weiter 300 Meter weiter ein Bachbett aus Felsen. Ich versuch das Teil rückwärts hochzuziehen. Zwei Frauen bieten mir Hilfe an schleppen das Teil durch das Bachbett ich trage die Packtaschen. Ein Spanier, Miguel, löst die Mädels ab und zerrt das Ding durch den Bach als ob er in seinem Leben nichts anderes getan hätte. Seine Frau, Theresa, nimmt mir eine Packtasche ab und trägt sie hoch kommt zurück und holt die andere. Ich verspreche erstmal Pause zu machen. Die beiden gehen weiter, kommen aber kurz darauf zurück, weil der Mist nach 100 Metern weitergeht. Felsen, Miguel zerrt meinen Rollator hoch, Theresa meine Packtaschen und ich habe Probleme meinem Revuekörper da irgendwie hochzuwuchten. Ich habe doch trainiert, aber dieser Hügel kostet mich all meine körperliche und fast all meine mentale Kraft. Sie warten oben auf mich, ich bedanke mich so gut ich kann, wir machen noch ein Foto.

Sie ziehen weiter und ich möchte hier nochmal allen danken die mir geholfen haben. Der kommende Anstieg ist nochmal mörderisch und ich brauche noch einmal Hilfe als ich auf eine Mischung aus Schotter und aufgeweichten Boden stoße. Ein junger Kölner trägt das ganze Gestell die fast 100 Meter über die Stelle. Noch einmal Felsen nicht ganz so steil, jetzt muss ich doch nochmal an meine Grenzen gehen, erst die Packtaschen einzeln, dann den Rucksack, dann den Rollator, 100 Meter, gefühlt eine Stunde. Dann wird der Weg etwas besser bleibt aber brutal steil. Eine Stunde später bin ich fertig aber erstmals kurz vor dem Gipfel. Bei einem Souvenirhändler hol ich mir den Stempel, den hab ich mir sehr hart erarbeitet.

Aber was hochgeht muss auch wieder runter, der Abstieg ist sausteil, teils Steine teils Kopfsteinpflaster, dann wieder Waldweg dann Teer, es geht mal wieder bergauf, 500 Meter Steine dann Waldweg. Ich verzweifele, weil dieser Mistrollator ständig an kleinen Steinen hängenbleibt, nach 200 Meter ist der Spaß auch vorbei es geht wieder abwärts dann wieder Buckel hoch und weit runter und dann ca 1 km Waldweg relativ eben aber Wurzeln und Steine.

Heut ist nicht mein Tag. Ich brauch dringend was zu essen. Eine Bar in dem wie ich später erfahre Galeco gesprochen wird liefert mir ein Riesen Sandwich, ein Glas Orangensaft aus 3 Orangen und 1Kaffee für 4 €. Vor der Tür steht eine Pilgerpuppe, die einem alten Freund zum verwechseln ähnlich sieht.

Es hat angefangen zu regnen. Ich schreib Anne an. Sie schreibt, die offizielle Herberge ist voll aber in der Casa A Grade gäbe es meist freie Betten. Ich werf mich in meinen Friesennerz und laufe los 2 km zur Herberge schaff ich auch mit meinen harten Muskeln noch. Die Herberge liegt tief im Grundstück weit weg von der Straße, die Herbergsmutter spricht nur spanisch und Galeco, ist aber technisch versiert und benutzt ein Übersetzungsprogramm mit Sprachausgabe – ich ab sofort auch.

Die Hospitaleira zündet den Kamin im Aufenthaltsraum an und es wird sofort warm. Ein weiterer Pilger hat sich noch angemeldet, Fabienne aus der Schweiz, eine sehr angenehme Zeit- und Eidgenossin. Sie ist den Zentralweg gelaufen. Danach können 2 Portugiesinnen, Mutter und Tochter, die Tochter quält sich ein bisschen spricht aber ein gutes Englisch, sie traut sich nur nicht. Ihr Freund war bei der ersten Gruppe die den Rollator geschleppt hat. Wir amüsieren uns über einen Spruch der auf dem Tisch liegt

Wir wollen um 8 Abendessen, es gibt richtig heißes Wasser zum duschen, und das Essen ist genial, alles aus dem eigenen Garten, die Eier von eigenen Hühnern, das Beste, das ich bislang auf dem Camino gegessen habe.

Ich werde versuchen zeitnah schlafen zu gehen. Gerade hat mir die ältere der Portugiesinnen noch einen Pfefferminztee von frischer Minze, die sie unterwegs gepflückt gemacht. Geil
Donnerstag 16´Apri
Ich wach auf als Fabienne loszieht. Sie ist eine Frühstarterin. Ich spüre jeden Knochen, bin nur am Husten, kann die Knie nicht beugen, die Finger auch nicht. Ich habe mir gestern richtig gegeben, also Knieschütze, Viel Voltaren, wird schon werden. Das Wetter sieht gut aus aber es ist saukalt.
Ich komm ganz gut in die Gänge, die Lauferei geht überraschend gut. Es wird warm, der Weg schlängelnd sich durch alle Einkaufsstraßen Pondevedra, ein wunderbarer Ort


und ich decke mich beim Froiz mit Obst und ein paar Konserven ein, morgen ist Karfreitags wer weiß was man da kriegt. Doch auf einmal gehen die Pfeile in zwei Richtungen. Ich stehe noch unschlüssig da, als mir ein alter Mann erklärt, ich soll geradeaus, denn linksrum kommen Stufen. So zumindest verstehe ich seine Gesten. Ich überquere eine fürchterlich zerfallene Brücke, für Autos gesperrt und gehe durch ein Gewirr von engen Straßen aus dem Ort hinaus

nach etwa 1 km kommt ein wunderbarer Rastplatz mit Brunnen. Ständig kommen Leute und füllen Ihre Flaschen. Ich nehm auch welches mit.

Ich muss mich entscheiden, eigentlich möchte ich den Espirituale gehen, aber ich trau meinem Rollator nicht, also gehe ich auf dem Zentralweg weiter, der ist auch einigermaßen anstrengend und nachdem mich viele schnelle Pilger überholt haben, wird es auch spirituell, vor allem in den Wäldern.



Bei einem steilen Anstieg steht Restaurant in 500m auf der anderen Seite wieder unten steht 300 Meter

300 Meter weiter ist eine Automatenstation. Nicht lustig. Ich habe ein neues Problem, die Haltebügel meiner Packtaschen greifen ab ca 3 kg nicht mehr, ich muss komplett umpacken. Der Weg wird richtig idyllisch, durch den Wald aber problematisch, das alte Leiden, mein Rollator und Steine über 8mm Durchmesser. Und bei jedem blockieren lösen sich die Packtaschen. Ich bin am verzweifeln, dann kommt ein Bachlauf der viel Wasser hat, außen rum kann ich nicht, da ist der Steg zu schmal. Großer Schritt, nasse Füße.


Und noch 20 Km bis Caldas de Reis. Ein Kilometer weiter wieder so ein Ding, der Steg etwas breiter als mein Rollator, ich plage mich gewaltig nicht ins Wasser zu fallen. Pilger kommen mir zu Hilfe. Der Berg zieht sich. Jetzt fängt es auch noch an zu Regnen. Also Rucksack abdecken, Friesennerz von ganz unten rauskramen, eine Pilgerin aus Österreich, Sarah, mit ihrer Tochter wird auch vom Wetter überrascht. Wir unterhalten uns kurz, ich ziehe weiter, während die Mädels sich noch einpacken.
Weiter oben, kommen Bahnschienen. Mein Rollator bockt, die Packtaschen lösen sich abwechselnd.
Die Mädels überholen mich wieder. Wir wollen uns in der nächsten Alberga treffen. Sie sind etwas schneller als ich. Ich bin patschnass. Bald kommt der nächste Ort. Hier macht ein Lokal Werbung mit dem Slogan: kein Pilger ohne Kaffee. Der Eingang ist breit genug für mein Gerät, so dass ich ihn nicht im Regen stehen lassen muss. Ich such mir einen Platz neben einem riesigen Plüschbären.

Ich bestelle mir einen Kaffee und irgendwie brauch ich Fleisch. Die Bedienung erzählt von keine Ahnung Dia? und ich sage ja. Es ist ein Gemüseeintopf, lecker wärmende Vorspeise. Ich frag nach der Karte. Sie haben das sogar in deutsch. Ich esse Schweinefleisch mit Fritten und einen Salat.unterhalte mich noch mit ein paar Pilgern, die mir erzählen in 1 km gibt es eine Herberge. Klingt gut. Der Weg dorthin ist noch etwas anstrengend, weil ich immer noch nass und sehr müde bin. Auch wen die Sonne jetzt wieder durchkommt.

Es sind auch eher 2 km. Verwirrt bin ich etwas, als der Weg zur Alberga vom Camino abweicht. Oben an der Kirche angelangt frage ich nach. Ein Mann weißt mir den Weg, ich sehe eine Menge junger Menschen, allerdings verunsichert mich der schmale Eingang


Ich geh rein und frag, jemand zeigt mir das Matratzenlager. Sowas kenn ich von früher von Berghütten, da lagen wir aber noch viel dichter beieinander.


Alles läuft auf Spenden Basis, um halb Acht gibt es was zu essen und ab 7 Uhr morgens Frühstück. Ich schaffe meinen Kram zu meinem Bett, unterhalte mich eine Weile mit Sarah, die mit ihren Kindern pilgert. Die beiden Jungs mit denen ich mich im Restaurant unterhalten habe sind auch da. Ich hänge meinen nassen Kram draußen auf. Der junge Mann, der hier alles gezeigt hat gibt uns Bescheid, dass das Essen fertig ist. Und es ist wie auf den Hütten früher. Alle sitzen an 2 großen Tischen, große Töpfe auf dem Tisch alle essen plaudern wild durcheinander in Gott weiß welchen Sprachen es ist wunderbar. Es gibt Gemüseeintopf, Tortillas, und Salat. Lecker. Ich sitze zwischen den 2 Jungs aus dem Restaurant. Der eine Spanier der andere kommt ursprünglich aus Russland, lebt in Spanien lernt grade Deutsch. Wir kommen ins Gespräch.
Über Russland und warum viele Ältere die Deutschen nicht mögen, irgendwann auf Spanien und die internationalen Truppen gegen den Faschismus, auf Gramsci und Franko, auf die Kapitalismusdiiskussion. Es ist schwierig aber interessant. Wir kommen zur Philosophie und warum Kreativismus nicht existent ist. Ich erkläre den Jungs anhand der deutschen Friedensbewegung und dem Bonner Hofgarten, was Politik mit den Füßen und Politik aus der Bewegung heraus ist. Anschließend unterhalte ich mich mit Sarahs Freundin noch eine Weile und zieh mich zum Schreiben zurück. Ich hoffe es wird eine Ruhige Nacht.
Freitag der 19. April, Karfreitag
Die Nacht war gut ich habe durchgeschlafen. Morgens 6:45, mitten in der Nacht wach ich auf, weil die Frühschicht, die bis Morgen in Santiago sein will los düst.
Ich werde langsam anfangen, so gut es geht im Dunkeln schon zu packen um heute auch mal vor 10 weg zu kommen, die letzten beiden Tage hat es gegen 16:00 angefangen zu regnen, vielleicht schaff ich’s. bis dann zur Alberge und komm mal trocken an. Das Frühstück hat wie schon das Abendessen Hüttenatmosphäre, wir plaudern noch ein wenig, ich muss noch mein Verdrussteil montieren und mach dann auch los. Der Weg sieht zunächst gut aus

Es regnet. Ich folge den Pfeilen, plötzlich keine Markierungen mehr, der Weg geht steil bergauf, ich höre eine gut befahrene Straße. Also gehe ich in die Richtung. Als ich auf die N-550 stoße, frag ich Google nach dem Weg. Weiter bergauf, das passt zwar nicht zu meinem Höhenprofil im Reiseführer aber Google wird recht haben, außerdem sagt mein Reiseführer, dass ich die N-550 öfter mal kreuze und dann kommen sicherlich Markierungen.
1 Stunde später, ich habe keine Markierung gesehen, checke nochmals Google, falsche Richtung. Naja ist halt mein Weg wie immer mit Irrungen und Wirrungen. Ich laufe zurück, komm an die Stelle an der ich auf die N gekommen bin und Google will mich wieder verkehrt schicken. Jetzt habe ich mehr als 2 Stunden verloren. Ich beschließe erstmal auf der 550 zu bleiben, nach ein paar Kilometern geht tatsächlich ein Weg links runter, aber der wirkt sehr schmal, das ist mir zu riskant. Also bleib ich auf der Nationalstraße, dann ein Trampelpfad, der geht schon gar nicht. Eine humpelnde junge Pilgerin überholt mich, ich will ihr Blasenpflaster anbieten, da ist sie auch schon wieder weg.
Die Straße lang ist sehr anstrengend. Zum einen, weil die Randstreifen seitlich abfallen, zum andern, weil das Höhenprofil viel extremer als auf dem Fußweg ist. Auf einer Wiese steht ein Schimmel der guckt mich an als wisse er genau, dass ich irgendwo noch einen Apfel für ihn habe. Ich kann ihn nur leider wirklich nicht finden, sonst würde er ihn kriegen. Auf der anderen Straßenseite ist eine Weide mit vielen Zicklein. Ich will fotografieren aber jetzt geht meinem Handy der Saft aus, heut ist nicht mein Tag. Ich finde das Ladekabel nicht, die Powerbank wäre vollgeladen. Pfeile habe ich jetzt ewig nicht mehr gesehen, aber rein von der Zeit her müsste ich meinem Tagesziel sehr nahe sein. Ich gebe die Albergue mit Ortsangabe ein ins Tablet, Google Maps will mich nach Italien schicken, 2. Versuch, es gibt ein Hotel Alberga im Mettmann- wo zur Hölle ist Mettmann? 3. Versuch, Google sagt die Allbergue existiert nicht, 4. Versuch ich gebe die URL ein, oh Wunder es gibt sie doch. Google schlägt mir einen Weg vor der abseits der Nationalstraße durch ein Industriegebiet führt. Die Straße ist grottig. Ich. Sehe, dass 200 Meter weiter eine offizielle Abfahrt nach Reis geht da komm ich aber nicht mehr hin. Mein Weg führt immer weiter weg von meinem Ziel. Ich werde erst wieder in die richtige Richtung gebracht nachdem ich ein großes Weingut passiert habe, ich nehme an, die bezahlen dafür. Ich werde jedoch auf der Anderen Seite der Brücke entschädigt, durch ein wunderschönes kleines altes Dorf, durch das ich komme. Ich werde zurück geführt auf die N-550, und stelle fest, dass mein Umweg mehr als ein Kilometer war. Nie wieder ohne Karten und Kompass.
Endlich erreiche ich Reis, finde die Pfeile, Ärger mich über meinen Rollator im Gelände, und auf unebenen Strecken, über zu schmale Bürgersteige und rücksichtslose Autofahrer, die versuchen dich vom Zebrastreifen zu bügeln. Ich kümmre mich um alles andere, nur nicht um meine Wegmarken. Jetzt stehe ich an der Kirche und weiß nicht weiter. Tablet raus Google gefragt Herberge in Antalya, nee, alle Ostergerichte mit Reis bei Chefkoch ich fühl mich langsam veralbert, wo ist die versteckte Kamera? Vorhin habe ich die URL eingegeben. Klappt wieder, langsam lerne ich es. Ich folge dem Weg komme an mehreren Hotels vorbei die alle den Pfeil zu ihrer Rezeption haben folge aber den Aufklebern zu offizieller Herberge. Ich steh davor, sehe die vielen Stufen und will hochgehen um zu sehen wie es drin weitergeht. Der Hospitaleiro, erklärt mir er hätte ein Zimmer im ersten Stock, das für mich besser wäre ich würde es zum Schlafsaalpreis bekommen und er trägt meinen Rollator hoch. Ich nehm die Packtaschen ab, dann ist die Kiste handlicher. Das Zimmer ist klein aber toll,
Bad Küche Aufenthaltsraum klasse. Ich rufe meine Frau an. Der Vermieter zickt. Will irgendwelche angeblichen Dinge sofort auswechseln, das macht der immer wenn er weiß, dass ich längere Zeit nicht da bin. Der Alltag hat mich wieder, vorbei die Gelassenheit, Ruhe, der innere Frieden der letzten Tage, alles beim Teufel, ich krieg einen Heulflash bedanke mich bei meiner Frau und leg auf.
Ich schreib meinem Vermieter, dass er dich einmal in seinem Leben am deutschen Mietrecht orientieren soll. Spreche nochmal kurz mit meiner Frau, um ihr den Kummer zu nehmen, sie kann ja nix dazu, sie musste es halt los werden. Dass das so eine verheerende Wirkung auf meine Psyche haben würde konnte sie ja nicht ahnen, danach brauch ich noch eine Stunde bis ich wieder unter Menschen kann. Ich hol mir meinen Stempel und geh über die Straße ins Numero 2, ein nettes kleines Straßencafé, da kam eine Prozession vorbei, die mich zutiefst beeindruckt hat, vorneweg Messdiener, dann 4 Männer die den verschiedenen Christus um einem gläsernen Sarg tragen und mit dem metallenen Spitzen ihrer Stöcke bei jedem Schritt anklagend auf den Boden schlagen, dann eine Gruppe von betenden Menschen. Vor allem Alte, Behinderte, vom Leben gezeichnete. Danach Maria in einem Schwarzen üppig bestickten Umhang von 4 Frauen getragen, dann die Kirchenmusiker und viele Gläubige. Ich hatte Gott sei dank kein Handy dabei, sonst hätte ich vermutlich versucht die Stimmung einzufangen. Ich bin wieder auf meinem Weg.
Das Essen ist ebenfalls fantastisch. Ich geh zurück, da ist es schon dunkel ich finde keinen Lichtschalter, tappe die Treppe hoch, Stoß mich ein paarmal, und lande dann doch glücklich im Zimmer. Meine Frau hat noch Fragen wegen des Onlineantrages beim Mieterbund. Wir telefonieren noch eine Weile, sie hat, glaube ich, ihren inneren Frieden wieder, ich werde ihn hoffentlich auch wieder finden. Ich heul schon wieder. Langsam nervts. Ich gehe jetzt meine Route für Morgen durch und wird dann versuchen zur Ruhe zu kommen.
Samstag 20.April
Ich Hab mich gestern wieder mal in den Schlaf geweint. Kaum geschlafen, überlegt 2 Tage hier zu bleiben, mich wieder auf die Füße zu stellen, abzubrechen und heimfliegen, was soll das noch? Ich hab Muskelschmerzen und kein Magnesium mehr, meine Knie bringen mich um, die Diclosalbe liegt in Pondevedra, ich werde erstmal ordentlich Schmerzmittel nehmen und dann sehn wie es weitergeht, keine Ahnung ich bin todmüde und ausgebrannt. Ich pack jetzt meinen Kram und hau erstmal ab. Wenn ich meine Schuhe komme. Meine Füße sind noch richtig geschwollen. Ich muss raus. Sonst bleib ich hier sitzen. Ich hab mich dann doch aufgerafft, bin raus, hab die ersten Lemminge (Buspilger) gesehen Und bin hinterher vergessen war die Apotheke, vergessen der Masseur mit Pilgerrabatt. Martin läuft, Teer Kopfsteinpflaster, Sandweg Schotter, das könnte so ein schöner Weg sein, ohne meine hausgemachten Probleme.


In einem Waldstück passiert, womit ich schon lange rechne, ein unbefestigter Bachlauf der Boden aufgeweicht grober Schotter dazwischen, ich bleib mit meiner Kiste hängen, Rutsch ab, flieg kopfüber mit dem Ding um, Stoß mich am Nacken verdreh mir das Hüftgelenk, der Rollator fällt auf mich. Ich liege auf dem Rücken im Bach der Rollator auf mir und kann mich nicht rühren. Ein junger Mann kommt mir zu Hilfe hebt den Rollator runter hilft mir auf, ich werde morgen sicher einige Blaue Flecke am ganzen Körper haben. Ein Stück weiter stelle ich fest, dass mir Blut am rechten Bein runterläuft. Ich habe doch ein paar tiefe, blutende Schrammen. Am nächsten großen Stein setze ich mich hin und desinfizier und verpflastere mein Bein. Da fängt mein Bruder an mir per WhatsApp eine Diskussion über schädliche Kohlehydrate aufzudrücken. Ich würg ihn ab. Und gehe etwas schwerfällig weiter. Ca. 1 Km weiter kommt eine Bar, ich trink einen Kaffee, und esse an die Diskussion erinnert einen Hamburger ohne Brötchen darum, mit Spiegeleiern und Salat ohne Tomate. Ein italienischer Pilger am Nachbartisch, spielt auf YouTube Bella Ciao und freut sich riesig, dass ich es kenne und wir in Deutschland auch einen revolutionären Text dafür haben. Ich ziehe weiter, der Weg ist wunderschön.

Ich sehe mal wieder eine Eidechse und fotografiere sie. Ich liebe Eidechsen, hab aber vor der Tour mehr als 50 Jahre keine mehr gesehen. Mein Großvater war mit einem Fahrradmechanikermeister der Post befreundet. Dieser hatte eine Richtige Eidechsenanlage gebaut, die die gerne annahmen. Und während er die 8-er aus unserem Felgen holte beobachteten wir oft stundenlang die Eidechsen. Leider ist dieses Biotop dem Autobahnbau zum Opfer gefallen.

Wir kreuzen die N-550, der Weg ist mit dem Rollator fast nicht begehbar. Ich falle wieder, schlag mir das linke Schienbein auf hol mir eine Beule. In Zukunft, wenn mein Reiseführer von ebenem Fahrweg spricht bleib ich auf der Nationalstraße. da geh ich jetzt sicherheitshalber auch für 500 Meter drauf, dann verlassen die Pfeile die N, wir bleiben aber erst mal auf einer Nebenstraße mit, wie immer, viel zu schmalen Gehwegen.

Ich erreiche ohne weitere Blessuren Valga, und finde auch die Herberge, die im Reiseführer woanders verortet ist.

Da ist nur eine etwas giftige alte Dame, die laut Aussage meiner Mitbewohner, ein holländisches Ehepaar, nur Galeco spricht. Sie will, dass alle Pilger in einem 12er Schlafraum pennen, als wir dann mehr werden schließt sie widerwillig einen 2.auf. Die Herberge hat 78 Betten. Ich geh duschen, werfe meine total versauten Klamotten in die Maschine und versorge meine Blessuren. Danach geh ich schnell einkaufen und was essen. Tagesmenü in der Tappasbar. Gebackenen Fisch, kompletter Salat mit allem außer Tomaten und als Nachtisch gewürfelten Käse. Ein großer Kaffee dazu 10€. Passt. Jetzt versuche ich mich wieder an meinem Blog.
Sonntag 21. April
Ich habe ganz gut geschlafen, wach aber relativ zeitig für mich auf. Mache mich fertig und bin noch vor acht aus der Herberge. Schräg gegenüber die Bar hat offen, so dass ich noch zu einem Kaffee komme und einem warmen Schinkencroissant.

Dann laufe ich los, leider drückt sich mein Reiseführer etwas abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten aus. Am Anfang geht es ganz gut, dann kommt Schotter, ausgewaschene Wege Felsen. Ein Stück starkes Gefälle eine Kurve meine Rechte Bremse versagt, die linke greift, ich mach mal wieder einen Salto Rollatore. wieder die Schienbeine. Wieder ein Pflaster.



Ich finde einen Platz der zum Rasten einlädt

Mein Reiseführer hat vorsichtshalber auch keine Höhenprofile. Mein NLP-Coach sagt mir zwar immer, die Landkarte ist nicht die Landschaft, aber in meiner Welt wären Höhenprofile in Zusammenhang mit Zustandsbeschreibungen sehr sinnvoll. Ich wäre dann aus Sicherheitsgründen auf der N-550 geblieben. Leider ist dem nicht so, es geht erstmal wieder steil nach oben. Das schreckt mich nun wirklich nicht mehr. Eine junge Frau, die offensichtlich Probleme beim Laufen hat gesellt sich zu mir. Sie hätte schon von mir gehört von ihrer Freundin Fabienne. Mir fällt ein, Fabienne hatte erzählt, dass Ihre Freundin im Hospital gelandet sei, weil sie eine Blase ignoriert hatte. Jetzt hatte sie sich auch noch eine Sehne überdehnt, was sie nochmal 2 Tage gekostet hatte. Fabienne wäre schon in Santiago und wartet. Ich lass liebe Grüße ausrichten. Sie ist schneller als ich. Dann geht’s abwärts, steil,

Kopfsteinpflaster, danach Steinplatten mit bis zu 10 cm Abständen, dann Kopfsteinpflaster mit Matsch, Kopfsteinpflaster teilweise vorhanden dazwischen Wassergräben abgedeckt mit Metallgittern in denen die Vorderräder steckenbleiben. I ch muss immer wieder Gruppen von Mountainbikern ausweichen, die teilweise mit einem Affenzahn die kurvenreiche strecke runterkommen. Sie fühlen sich durch mich nicht gestört, sondern motivieren mich eher weiter zu machen. Ich genieße aber die Landschaft auch

Meine Kiste fliegt öfter mal. Ich Versuch nicht mehr sie zu halten, dabei tu ich mir jedes mal weh, die 3 Tage wird sie noch halten. Danach muss sie ohnehin zum Service. In der nächsten Straße verlegen sie grad irgendwas, die Piste ist so schlecht, dass mein Rollator nach vorne umkippt. Nach 5 Minuten habe ich wieder Teer unter den Rollen. Ein Platz mit Bänken, wundervoller Ausblick. Ich mach kurz Pause, 3 spanische Pilger kommen vorbei. Einer zaubert eine Anstecknadel mit einer Jakobsmuschel irgendwoher, sagt etwas auf Spanisch, ich verstehe ihn nicht, er fragt ob ich die Muschel am Rucksack oder am Schal haben möchte er möchte Sie mir schenken.

Ich trag sie jetzt am Schal, sie schütteln mir nochmal die Hand, ermutigen mich weiter zu machen und ziehen weiter. Ich brauch erstmal 5 Minuten bis ich weiter kann.

Ich laufe jetzt parallel zur 550, da ist ein Riesenstau. Dann unter ihr durch auf der anderen Seite muss ich doch drauf um über eine Brücke zu kommen, der Weg ist so schmal, dass ich links und rechts mit den Packtaschen scheuere, die sind auch ziemlich fertig. Als ich fast über die Brücke bin kommt eine Spanierin entgegen, die nicht gerade begeistert ist, dass sie wieder umkehren muss. Ich geh weiter. Sie zurück und bringt auf mein freundliches muchas Gracias sogar noch ein Lächeln zustande. Direkt nach der Brücke, am Fluss ist eine gemütliche Bar, ich trink einen Kaffee und bestell mir einen Ensalada sin tomato, soviel kann ich schon. Und unterhalte mich ein wenig mit einer deutschen Pilgerin. Sie zieht weiter, wir werden uns sicher die nächsten Tage nochmal sehen. Der Weg geht Gott sei dank vom Stau weg, durch den Stadtrand von Padròn. Richtig idyllisch.

ich komme von hinten nach Padrón. Trotzdem ist kein Durchkommen. Alles zugeparkt. In Padrón ist Ostermarkt. Die erste Herberge hat eine lange Treppe zu den Zimmern, das tu ich mir heute nicht mehr an. Bei der zweiten sieht man schon von außen, sie ist ebenerdig. Die Hospitaleira ist sehr freundlich, gibt mir ein passendes Bett, mit Steckdosen eine Decke und ein Handtuch. Ich leg mich erst mal eine Stunde hin, gehe in die Stadt zu dem Markt, kauf mir ein neues Taschenmesser, meines ist irgendwo auf dem Camino geblieben. Komm zurück und leg mich wieder hin, mir tut alles weh. Um sechs steh ich auf, Koch mir eine Kleinigkeit und unterhalte mich mit einem Pilger aus dem Sauerland. Dann fange ich an meinen Tagesbericht zu schreiben
Ich werde jetzt noch duschen gehen, Wunden versorgen und mich dann mit einer YouTube Meditation schlafen legen. So der Plan. Ich habe mich dann doch noch mit Dominik aus dem Sauerland festgequatscht. Wir haben Verbesserungsmöglichkeiten für den Rollator diskutiert, wie der ideale Rollator aussieht und sind vom Hundertsten ins Tausendste gekommen. War dann doch wieder nach Zehn.
Montag. 22. April
Ich habe schlecht geschlafen, mir tun alle Knochen weh. Ich brauch jeden Morgen länger, bis ich die Finger schmerzfrei bewegen kann. Ich werde mir heute morgen erstmal eine Apotheke suchen. Ich brauch was für die Gelenke, eine Heparinsalbe, ein Schmerzgel. Und vielleicht doch mal ein paar Schmerztabletten gegen die Kopfschmerzen. Ich habe noch 27 km, die werde ich in 3 Tagen laufen. Gerade verabschiedet sich Dominik, er will heute Santiago schaffen. Und Mittwoch heimfliegen um noch ein paar Tage mit seiner Familie zu haben. Ich will auch nach Hause, aber ich möchte mich auf dem Weg wieder halbwegs fit machen. Ursprünglich wollte ich heute 8 km laufen, aber ich möchte auch nach Hause. Ich will versuchen bis Milladoiro zu kommen.

Das Wetter ist wunderbar, ich will mir nur noch eine Apotheke suchen. Fehlanzeige in Galizien ist Ostermontag Feiertag. Ich suche eine Weile meine Pfeile häng mich dann an andere Pilger dran, die Teerstraße ist ganz angenehm zu laufen, viele Buspilger überholen mich, und viele die heute noch Santiago erreichen wollen, es ist laut.

Ich suche nach einem Laden, finde aber nur einen Snackautomaten. Für 2 Flaschen Wasser reichts. dann geht es endgültig aus der Stadt.

Eine deutschsprachige Pilgerin gesellt sich zu mir, sie hat einen Hübschen Akzent. Sie kommt aus Litauen und studiert in Heidelberg. Wir unterhalten uns eine Weile, aber mir geht auf dem langen Berg die Luft aus. Ich sag ihr, wenn sie heute noch nach Santiago möchte müsste sie sich sputen. Und bleibe erst mal stehen um Luft zu kriegen. Sie geht langsam weiter und ich habe das Gefühl, dass sie etwas bedrückt. Bin ich inzwischen so abgestumpft? Ich versuche sie nochmal einzuholen. Sie ist etwas schneller als ich und verschwindet aus meinem Blickfeld. Der Weg geht angenehm durch den Wald und dann leider zurück auf die 550 auf den Zebrastreifen werd ich fast von einem Kleinlaster überfahren, der voll auf mich zuhält und ich meinen Rollator im letzten Moment zurückreisen kann bevor wir kollidieren. Ich geh in einen kleinen Laden, um mir nochmal Wasser zu holen. Die Luft ist so schlecht, dass ich einen Asthma Anfall bekomme. Ist nach 10 Minuten vorbei. Ich entdecke eine Bar, das Tor ist zu, die Kellnerin holt einen Schlüssel ich setze mich an einen Tisch, unterhalt mich kurz mit einer deutschen Pilgerin, die mit ihrer Tochter reist, am Nachbartisch sitzt die Litauische Studentin. Ich spreche sie auf mein Gefühl an, sie erzählt mir, sie wollte mir nur noch sagen, dass ich sie inspiriere. Sie studiert klinische Psychologie. Wir unterhalten uns darüber und über Hypnose und NLP. Sie kommt bei Hypnose nicht in die Entspannung. Ich mach eine kleine Übung mit ihr, die Ihre Ruhe und Entspannung gibt und ein sehr schönes Lächeln. Der Glaubenssatz ist aufgelöst. Sie strahlt noch als sie sich verabschiedet.
Ich komme an eine Kirche, da zeigen die Pfeile eine Lange Steintreppe hinauf. Die sind wohl wahnsinnig.

Ich schlepp meinen Rollator 2 Treppen hoch bleib hängen Fall mit dem Ding wieder runter. Schnauze voll. Nein ich breche doch kurz vor Santiago nicht ab. An dieser Treppe führt kein Weg vorbei, ich muss die Straßenseite wechseln. 50 Meter weiter gibt’s dann auch wieder eine Straße. So kann der Weg weitergehen, durch kleine Dörfer Weinstöcke, dann mal eine Gasse, so eng, dass links und rechts meine Packtaschen schleifen.



Eine junge Katze verleibt sich spontan in meinen Rollator



An meinem ursprünglich geplanten Ziel, in Teo verdrück ich einen ordentlichen Teller Langustinos und ziehe weiter. Der Weg verlässt die Hauptstraße ist zunächst noch angenehm wird aber dann zu einem Waldweg, der für mich nicht mehr begehbar ist. Nachdem ich für 500 Meter fast eine Stunde gebraucht habe, weil ich meinen Rollator über Steine und Wurzeln wuchten musste, bin ich dem nächsten befestigten Weg auf die 550 gefolgt.

Dort bin ich nur kurz der Weg führt weg von der 550 erst den Berg hinunter zu einer Herberge, die soweit ab vom Schuss ist. 500 Meter weiter geht es wieder in den Wald. Der Weg ist gut begehbar wird wieder zur Teerstraße bis zu einem gehobenen Restaurant, danach wird es wieder ein ausgewaschener Feldweg, der eine Straße kreuzt. An dieser Kreuzung treffe ich Amanda. Sie steht etwas verloren da und ist am telefonieren. Ich frage sie ob alles Ok sei, sie sagt nein, sie ist im Wald sexuell belästigt worden und der Typ sei noch da. Ich biete ihr an mit mir zu laufen, das gehe zwar langsam aber ich passe auf sie auf. Ich seh den Typen auch aber er hält respektvoll Abstand. Er bleibt noch etwa 2 km hinter uns. Ich beruhige Amanda so gut es geht. Der Weg wird steiler und schwieriger. 2 Italienische Pilger kommen nach wir laufen ein Stück gemeinsam. Am Wegrand wacht ein spanischer Pilger grad in seinem Schlafsack auf. Ich bitte die beiden Italiener mit Amanda weiter zu laufen, weil sie doch ein bisschen schneller sind als ich und Amanda noch bis Santiago will . Der Weg ist für ca 300 Meter nahezu unpassierbar endet an einer Straße. Die restlichen 2 km bis zur Herberge ziehen sich fürchterlich, zu allem Überfluss regnet es mal wieder. In der Herberge treffe ich auf freundliche Pilger, denen ich unterwegs auch schon begegnet bin. Alle deutschsprachig. Es wird eine lange Nacht. Ich bin zu müde um Tagebuch zu schreiben.
Dienstag 23. April
Heute bin ich um 6:30 aufgewacht, ich habe die halbe Nacht gefroren bis ich mir eine 2. Decke besorgt habe. Wir treffen uns alle nochmal im Aufenthaltsraum, plaudern noch ein wenig und ziehen gemeinsam Los,

jeder in seinem Tempo.


Es regnet immer stärker, nach 1 km kommt ein Kaffeehäuschen. Hier treffe ich Helen mit ihrem Vater wieder. Eine deutsche Pilgerin mit ihrer Tochter, die mir auf dem Weg schon öfter mal begegnet ist. Wir sitzen unter einem dünnen Plastikdach und blenden den Regen nochmal für 20 Minuten aus. Dann ziehen wir nach und nach weiter.

Ich komme wieder in ein Waldstück. Der Weg ist nahezu nicht begehbar bei diesem Regen. Endlich kommt Santiago in Sicht. Die Straßen werden besser. Ich schau mich nach einer Apotheke und nach was zu essen um. Bei genauerer Betrachtung waren die Langustinos gestern die letzte echte Mahlzeit. Eine Apotheke finde ich rasch, die Apothekerin spricht kein Englisch, aber für Diclosalbe, Schmerzgel Magnesium und Vitamin C reicht es. Mit Essen wird es schwieriger, ich finde eine offene Bar aber Essen erst ab 13 Uhr. Es regnet so stark, dass das Wasser die Sieldeckel hochdrückt.
Der Weg zur Kathedrale zieht sich. Ich habe schon wieder mal meine Pfeile verloren. Da endlich, ich komme auf den Platz vor der Kathedrale. Und frag mich kurz warum ich denn jetzt genau hier bin.

Die Kathedrale war nie mein Ziel, sondern der Weg dorthin. Mein Weg. Es ist ein Zwischenziel, das ich erreicht habe, mein Weg geht weiter. Ich werde noch oft hier ankommen und es wird andere Santiagos geben, bis ich den meinen Wegstein mit der Angabe 0,000 km erreiche. Ich höre in mich hinein. Bin ich stolz auf meine Leistung. Vielleicht ein klein wenig. Ich bin dankbar, dass ich einen Teil meines Weges finden dürfte, dass ich heil angekommen bin, dass ich die Stürze ohne große Schäden überstanden habe und für die vielen freundlichen und hilfsbereiten Wegbegleiter. Ich lasse mich von einer Pilgerin vor der Kathedrale fotografieren. Da kommt Bärbel, ich habe sie auf dem Camino getroffen und mich ihr ein bisschen unterhalten. Sie war zwischenzeitlich in Finisterra. Sie fragt mich ob ich schon eine Unterkunft hätte. Ich verneine. Denn ich könnte ja nichts planen. Sie erzählt mir vom Hotel im alten Kloster, die haben günstige Pilgerzimmer. Na dann nix wie hin. Es ist etwas umständlich, weil ich ja voll bepackt bin und so keine Treppen hochkomme. Ich habe Glück und bekomme ein Zimmer. Vor mir steht Elke aus Kaiserslautern, die hab ich auf dem Weg nach Caminha getroffen, mit ihrer Freundin Erika. Wir verabreden uns für später zum Kaffee trinken. Die beiden bringen mich zum Pilgerbüro. Unterwegs sprechen mich einige Leute an, die ich auf dem Weg getroffen habe. Auch Dominik kommt mir entgegen, er hat erste Ideen für den idealen Geländerollator. Er will daran weiterarbeiten. Ab zum Urkunde abholen. Dort treffe ich als erstes Marian. Die war mit uns in Caminha und betreut im Pilgerbüro belgische, holländische und deutsche Pilger. Ich verspreche ihr auf einen Kaffee vorbei zu kommen. Amanda, kommt vorbei und sagt mir, dass sie gut und sicher angekommen ist und bedankt sich beinahe überschwänglich. Nicht dafür. Ich hole meine Urkunde und die Wegbescheinigung


und geh noch eine Stunde zu Marian ratschen. Ich gehe wieder Richtung Hotel, da hör ich einen entfernten Schrei MAAARTIIIIN. Karen mit der ich in Santa Luzia und in Caminha war kommt mir entgegengelaufen. Sie war nach Muxia gefahren und wieder nach Santiago gelaufen hätte heut den letzten Tag und keine Zigaretten mehr. Wir machten aus gemeinsam zu Abend zu essen und ich wartete bis sie Zigaretten und Urkunde hatte. Wir suchten uns dann eine kleine Tappabar, aßen und redeten nochmal 2 Stunden. Karen ging in ihre Herberge, sie muss morgen früh raus ich zu den Mädels ins Hotel zurück. Wir saßen noch eine ganze Weile in der Cafeteria am Nachbartisch eine verrückte Amerikanische Frauengruppe, die den Eindruck machten als würden Sie zu einem Chor gehören, denn Gesang und auch Choreographie waren gut aufeinander abgestimmt. Sie forderten alle im Raum auf auch was von zu Hause zu singen, wir hatten viel Spass und es war wieder nach Mitternacht bis ich aufs Zimmer kam. Vorher habe ich Elke noch auf den Rollator gesetzt und sie zu ihrem Zimmer gebracht. Sie hat das Knie überlastet.
Mittwoch 24. April.
Ich wache gegen 8 auf und geh um 8:30 zum Frühstück. Dabei treffe ich Bärbel noch kurz, sie fährt nach Porto und fliegt nach Hause. Wir sehen uns sicher wieder, irgendwo. Ich schau nach draußen, es ist ein Wetter zum Helden ersäufen. Ich würde heute kein Tier mit einem Stockmass unter 50 cm vor die Türe lassen. Ich fotografiere im Hotel, das ist ein wunderschöner alter Konvent.








Folge wundervoller Musik und stehe in einem etwas anderen Souvenirläden. Ich seh mich etwas um, erstehe 2 Kugelschreiber für meine Mädels. Einen Grundlagenkurs spanisch, in Form eines Kochbuchs für die Klosterküche und eine CD mit dieser wunderbar meditativer Musik.

Geh noch einen Kaffee trinken und mach mich wieder lang. Kalt ist es geworden. Ich vertrödle den ganzen Tag, draußen wird’s nicht besser. Hat was, fast am Ende der Welt, in einem Gemütlichen Bett, ohne Lärm oder Hektik, den Tag zu verbringen. Nachmittags als es aufhört zu Regnen will ich nochmal los, ich hatte Marian versprochen mit einem Stück Kuchen vorbei zu kommen. Kaum war ich draußen ging’s wieder los, Bäcker hab ich keinen gefunden, Wasser reichlich. Unterwegs habe ich noch Amanda getroffen, die zu ihrem Lieblingscafé wollte, ich wollte nur noch aufs Zimmer. 19:44 kommt die Sonne raus. Ich geh mit Elke und Erika essen, Rudi ein Fahrlehrer aus Marburg gesellt sich zu uns, Marian kommt später auch noch dazu. Wir verbringen einen wunderbaren Abend miteinander. Da Elke nicht sehr gut laufen kann und ihr Zimmer gefühlte hundert Meter weiter ist als meines, bring ich sie wieder mit dem Rollator nach Hause. Wir verabreden uns für morgen 9:00 Uhr zum Frühstück. In meinem Zimmer spukt es.
Donnerstag 25. April
Ich hab mal wieder schlecht geschlafen. Wahrscheinlich ist mir das Zimmer zu ruhig. Mir fehlen die 12 Schnarcher. Es regnet mal wieder, aber heut will ich unbedingt raus, ich muss laufen, ich roste ein.
Jetzt geh ich erstmal mit Elke, Erika, und Rudi frühstücken. Anschließend ziehen wir nochmal los, Rudi holt noch seine Urkunde, Elke, Erika und ich gehen in die Kathedrale, aber um zur Figur des Apostels zu kommen ist mir die Schlange zu lang und mit dem Rollator komm ich da nicht durch. Zum Sarg ist weniger los. Dort ist Fotografie Verbot, aber was stört einen Touristen die Würde des Verstorbenen. Ich spreche stattdessen lieber ein Gebet am Sarg und ignoriere die Aufforderung aus dem Weg zu gehen, da man nicht fotografieren könne. An mir vorbei ist das immer etwas schwer. Wir gehen noch was trinken, Erika geht schnell in den Souvenirladen nebenan, um sich eine Camino Kachel für die Haustür zu kaufen und steckt die dann in meine vordere Packtasche. ich will noch zum Orient Bazar, mir ein Bordcase kaufen, um meine Packtaschen mit nach Hause zu nehmen. Google schickt mich schon wieder überall hin, bloß nicht zum Ziel. Es fängt an zu Gewittern. Ich flüchte mich in eine Bar trink einen Kaffee. Als ich wieder auf die Straße komme, seh ich den Berg runter einen Bazar, der hat keine Koffer, der nächste hat. Nun frag ich Google nach der Kathedrale, mein Hostel kennt es ohnehin nicht. Ich gehe wieder abenteuerliche Wege durch enge Gassen, bis ich, wieder im strömenden Regen, in meinem Hotel ankomme. Ich hoffe die Mädels im Aufenthaltsraum wieder zu finden. Ich will ja diese vermaledeite Kachel wieder loswerden. Keiner da, ich leg mich erst mal ein bisschen hin.

Die Heizung geht nicht es ist kalt. Gegen 5 mach ich wieder los. Ich habe schon wieder Kohldampf. Ich gehe die schlechteste Paella meines Lebens essen und suche das Lädchen mit den Glocken, das Kerkeling beschrieben hatte. Hole größere für meine Lieben zu Hause und kleine für Marian, Elke und Erika. Geistere noch ein bisschen durch die Gassen, verlaufe mich wie immer. Und bin dann glücklich 19:30 wieder in der Cafeteria. Die Mädels sind schon da, Erika bringt ihre Kachel in Sicherheit, denn geb ich Ihnen Ihre Glöckchen. Sie sind gerührt. Dann nehmen wir unser letztes Pilgermenü für dieses Mal. Eine junge Russin kommt vorbei, sie hat mich am Camino gesehen. Es hat sie inspiriert, jetzt möchte sie ein Foto mit mir. Mach ich doch gerne. Wir sitzen noch bis 11 Uhr abends. Verabreden uns noch zum Frühstück um 8. Die Mädels müssen um 10 zum Bus nach Porto.
Ich fang an meinen Kram zu packen, das klappt niemals. Ich bin todmüde und hau mich aufs vollgepackte Bett.
Freitag 26. April
Ich habe heute Nacht ganze Arbeit geleistet. Mein Bett ist leer. Ich habe alles rausgeschoben. Die Hütte sieht aus…… 7:00 Uhr wach ich auf richte mich etwas und geh mit den Mädels frühstücken. Nun ist der erste Teil meines Weges tatsächlich vorbei, ich bin restlos glücklich und heul dabei wie ein Schlosshund. Ich pack meinen Kram, das ist ein hochkompliziertes logistisches Unterfangen. Ich krieg nicht alles rein. Meine Lebensmittel müssen wohl in Spanien bleiben. Ich fahre mit dem Taxi und etwas Wehmut zum Flughafen. Ich weiß ich komme wieder. Das Check-in geht überraschend gut. Ich geh noch was essen unterhält mich dann noch mit einer Pilgergruppe, die sich auch zufällig gefunden habe. Ich habe ein wenig Sorge, weil ich keinen Platz mit Beinfreiheit buchen könnte, aber bei Lufthansa geht es mit dem Platz. Der Flug verläuft ruhig. Ich schlafe sogar zwischendurch mal ein.
Die Flugbegleiterin erzählt mir, dass wir auf dem Vorfeld landen und ich nicht ohne meinen Rollator in den Bus steigen sollte. Das klappt im Gegensatz zu Portugal hervorragend. Das war leider das einzige, das richtig funktionierte. Wir kamen in einem anderen Terminalbereich an, der Aufzug zu den Gepäckbändern funktionierte nicht, ich musste den Rollator runtertragen. Gepäckband 3 wurde auf 9 umgelegt. Nach 25 Minuten schickt man uns zu Band 4, weil die 9 defekt ist. Nach einer weiteren halben Stunde kann ich endlich meine Frau in die Arme schließen.
Der Weg zur S-Bahn gestaltet sich ebenfalls schwierig, durch Bauarbeiten kommt man nur mit einer Treppe auf das Gleis nach Frankfurt. Wir gehen in Darmstadt noch einkaufen und fahren nach Hause, ich will nur noch heim