Barrierefrei nach Santiago? Teil 2

Mittwoch 10. April 

Ich habe überraschenderweise lange geschlafen. Um 9:30 komm ich auf die Füße. Meine Klamotten sind nicht trocken geworden, weil irgend ein Depp die Heizung rausgezogen hat um sein Handy zu laden. Ich behalte also die alten dreckigen, miefigen Klamotten, in denen ich geschlafen habe an und ziehe ein feuchtes Longsleeve drüber wie soll man da denn gesund werden. Ich packe meinen Kram,stecke pflichtbewusst noch meine Stecknadel ungefähr dahin woher ich komme und mach mich auf den im Pilgerführer beschriebenen weg. Es regnet schon wieder. 

wieder einmal auf der Straße

Treppen runter mit dem Rollator, der ist zu breit, die Treppen nass, also zurück auf die Hauptstraße. In der Stadt geht es noch, aber draußen. Der Seitenstreifen ist eng, fällt nach links ab, das Bankett ist mit dem Rollator kaum handelbar. Ich geh erstmal auf einen Cappuccino in eine Bar, der Wirt spricht deutsch, wir plaudern ein wenig, ich hol mir meinen ersten Stempel draußen klart es auf.

Gemütliche Bar, lecker Cappuccino
das ist Wanderwetter

Also runter mit der Regenjacke, endlich, der Weg die Landstraße entlang ist schwierig aber schön. Die Gegend ist bewaldet die Sonne spitzt leider nur zwischendurch durch die Bäume aber ich genieße es.

Die Sonne tut richtig gut

Der Camino geht von der Straße weg- Richtung Strand. Es ist wunderschön an der Felsenküste lang, aber für meinen Rollstor liegen zu viele Steine und alles mögliche Andere hier rum.  Insgesamt zwölfmal fliegt das Teil, 2 mal flieg ich mit, das tut ganz schön weh.

Blöd gelaufen

Als ich das Teil wieder einmal aufrichte, sehe ich ein kleines Schild: nur für feste und ebene Untergründe. Hä?? Die verkaufen das Teil als OUTDOOR- Rollator. Na das kann ja heiter werden. Ab jetzt bin ich. noch vorsichtiger. Ich will mich aber nicht auf der Straße bewegen wo es nicht sicher ist und nutze die Radwege vorsichtig weiter. Ich lese im Internet von einem Hostel mit Waschmaschine und Trockner. Das ist es mir wert 3,5 km weiter zu laufen. Mich Überholen unterwegs wie immer viele Pilger. Viele davon werd ich wohl nicht wiedersehen, die sind ziemlich flott unterwegs. Ein  Pärchen überholt mich, er bietet mir im Vorbeigehen einen Keks an. Ein anderer sucht mit hochrotem Kopf wohl  die  Herberge von Oia.

Erfrischend
Die Kirche von Oia

Wäre er 50 Meter weiter gegangen, wäre er beim Tourist Office gewesen. Ich fragte ihn noch ob er ein Problem hätte oder Hilfe brauche. Er meint ich bräuchte die doch eher. Vor dem Tourist Office stehen 2 Frauen die eher einheimisch aussehen. Ich ziehe weiter aus den engen Gassen hinaus auf den Radweg, links und rechts von mir aus groben Brocken gebaute Trockenmauern mit Tieren oder kleinen Beeten.

Parzellen

Ich setz mich auf eine der Mauern und ruh mich aus, der Weg verlangt mir ganz schön viel ab, da hilft es auch nix, dass ich mir eine Playlist: Camino zum Mitgröhlen erstellt habe.  

Eine der beiden Frauen von vorhin, kommt auf dm Fahrrad vorbei und fragt mich ob ich Hilfe brauch .Ich sag ihr, dass ich auf dem Weg zum Hostel bin und mich nur im Moment ausruhe. Sie strahlt mich an und sagt das sei das Hostel in dem sie arbeitet, das ist zu Fuß 30 Minuten. Weg und sie könne gern schon meinen Rucksack mitnehmen. Muss nicht sein, bis ich den vom Rollator hab kann das dauern. Ich sag ihr noch dass das bei mir noch mehr als.eine Stunde dauern kann,macht nix, sie ist ohnehin bis 7 da. Ich gehe gemütliche weiter, und komme auch nach Serralo, aber mein Google Maps erzählt wieder komisch Zeug ich solle noch 10 Minuten rechts, links, links da kommt mir die junge Frau schon entgegen. Das Hostel ist genau gegenüber, der. Eingang so breit, dass ich mit dem vollaufgetakelten Rollator gut durchkomme. Ich  frage nach der Laundry, Maschine Waschen und Trocknen kostet 5 €. Egal Hauptsache ich hab mal wieder frische Klamotten. Sie gibt mir eine große Tasche und meint ich solle mich nicht mit der Wäsche befassen, sie würde das für mich erledigen ich’s solle ihr alles geben wenn ich soweit umgezogen bin und mich lieber oben auf dem Balkon in die  Sonne setzen. Das ist doch ein Wort. ich nehm mir was zu Trinken mit hoch und treffe dort die beiden Pilger mit den Keksen. Martin und Karola aus Südschweden. Sie haben sich im September/Oktober auf dem Französischen Camino kennengelernt und sind seitdem ein Paar. Wir verbringen einen netten Abend zusammen. Sprechen darüber, wie man zur Ruhe kommt, ich mache eine Entspannungsübung mit den beiden, helfe ihnen ihre Farbe zu finden. Wir sprechen über den Ozean auf den wir während der ganzen Unterhaltung schauen.und Karola sagt einen Satz, der mir nicht mehr aus dem Sinn geht: 

Listen to the silence between the waves . .

Eigentlich wollten wir essen gehen, aber in diesem Nest hat nichts offen, also schmeißen wir unsere Vorräte zusammen und Martin kocht einen großen Pott Spagetti mit Resten von Chorizo, Salami einer großen Dose Thunfisch , ein paar Oliven und einem kräftigen portugiesischem Käse den ich seit 2 Tagen mitschleppe. Wir haben uns grad noch Heißwasser für den Kaffee gekocht als die Hauptsicherung fliegt. Wir schauen selbst, rufen dann den Besitzer und der einen Elektriker. Bis wieder alles geht ist es 23 Uhr. Die Betten sind gut gestaltet meine ich, in jedem Bett gibts Licht und Steckdose und einen schweren Vorhang der Privatsphäre schafft. Der hat mich die Nacht ganz schön Nerven gekostet. Morgens um 3 wache ich mit einem brutalen Asthmaanfall auf. Ist mir auf der ganzen Tour bisher nicht passiert, durch diesen schweren Vorhang hat kein richtiger Luftaustausch stattgefunden und mein CPAP hat munter verbrauchte Luft in mich reingeblasen, also Anfall bekämpfen, Vorhang weit auf, bis du dann wieder einschläfst.  

Donnerstag 11. April 

Ich bin dann doch nochmal eingeschlafen und werde wach als meine 2 Südschweden Aktivitäten entwickeln. Ich stehe auf trinke mit Ihnen Kaffee, wir unterhalten uns noch ein wenig, versprechen uns, dass wir uns auf einem Camino wiedersehen wünschen uns einen guten Weg. Ich brauch immer ein Bisschen länger bis ich meinen Kram zusammen gezurrt hab, verlasse aber pünktlich um 9:30 das Hostel. Ich brauche als erstes einen Bankomaten, Google Maps erzählt mir in 2 Kilometern, also bleib ich auf der Landstraße. 

Ich entdecke einen großen Campingplatz, vielleicht gibts hier einen „cajero automatico“. wie mir mein Übersetzer erzählt. Geldautomat gibts hier nicht, aber wenigstens lecker Cappuccino.

Wunderbarer Campingplatz
Glückshormone für 1€

 

Hier sieht nichts nach Bank aus, ich versuche nochmal mein Glück, Jetzt spricht das Navi von 8 km, dann kann ich der Muschel  ja folgen. Blöde Idee, die Wege an der Küste sind gar nicht schön. Ich habe große Probleme mit dem Rollator. Und beschließe auf dem Seitenstreifen der den größten Teil der Strecke als Radweg geführt wird zu folgen. ich habe zwar die Kopfhörer im Nacken hängen, aber hören will ich heute nichts außer der Stille zwischen den Wellen.

Hier möchte ich bleiben
Fühle die Stille zwischen den Wellen

Mein Weg ist heute sehr meditativ. Ich lasse meinen inneren Dialog Raum. Der braucht das auch. Ich hab mich in den Atlantik verliebt. Hier möchte ich leben.

Ich taue meinen Augen nicht. Da vorne taucht ein Gebäude auf, dass mich an den Zauberberg erinnert. Das ist das Talaso Atlantico. Ich würde es mir gerne näher ansehen, aber ich weiß nicht, wie weit es noch ist.

Zauberberg?

ich widme mich wieder meinem Weg und dem Meer. Ich kann Bilder machen, aber ich kann die Stille zwischen den Wellen nicht in Worte fassen. Traumhaft, mit der Flut rollten große Wellen auf die Felsenküste, ein faszinierenden Anblick.

unbeschreiblich
Faro de cabo Silleiro

Insgesamt ca 15 km lang war es wunderbar und dann kam dieses Chemieklärwerk aus dessen Röhren etwas seltsam aussehendes in den Atlantik sickert, man findet es 500 m weiter als Schlieren auf dem Wasser, die sich nicht auflösen und weitere 500m weiter als kompakter blasenwerfender Teppich der auf die Felsen kommt.

Normal ist das nicht
schlimm
Riesensauerei

An der gleichen Bucht ist ein Aussichtspunkt, da könnte man meinen, ein Müllaster wäre explodiert. 30 Meter weiter stehen die Müllcontainer. Ich bin kein fundamentalistischer Umweltschützer, aber  bei dem Anblick hab ich mich für meine Spezies geschämt. Ich finde das Dosenpfand so sinnvoll.  

Eine Pilgerin, die mir vorher dabei aufgefallen war dass sie eine offene Taverne suchte überholte mich und fragte mich ob sie ein Foto von mir machen dürfe. Kein Problem, dann noch together, auch kein Problem Ein ander Pilger,  Amerikaner oder Engländer, erklärte ich wäre auf dem falschen Weg, die Herberge wäre da rechts am Berg, mag ja sein aber ich brauche erst einen Geldautomaten. Er biegt ab und überholt mich 10 Minuten später wieder, war wohl doch mein Weg besser.

Der Film zieht sich bis Baiona
dabei ist das eine wunderschöne Stadt

In der Zwischenzeit hat Anne mir die Adresse von einem behindertengerechten Hostel gegeben. Ach ihr wisst ja gar nicht wer Anne ist. Anne ist Rollstuhlpilgerin, hat schon alle Caminos gemacht und hat eine Facebookgruppe gegründet. Karen aus Flensburg hat mich auf sie aufmerksam gemacht. Und Anne unterstützt andere Pilger mit Ratschlägen und praktischen Dingen. Sie hat mir heute Adressen von Fahrradwerkstätten in Vigo rausgesucht weil mein Chopper dringend Service braucht bevor es in die Berge geht.  Ich hangele mich mit Google Maps zu einem Geldautomaten durch, dann zum Froiz und dann in die Herberge, die ist im Untergeschoss hat aber wie zu erwarten eine Rampe. Ich treff dort einen jungen Mann in der Sonne der mir erzählt dass Parsi, die Hospitaleira, bald wiederkommt, wir schwätzen ein Weilchen, ich rufe Sie dann aber doch an. Die Übernachtung ist billiger als ich dachte. Ich arbeite bis 23:00 an meinem Reisebericht, ich hab gestern ja keinen geschrieben. Und geh zu Bett, herrlich bequem. In der Nacht wache ich mit Atemnot auf und suche mein Bedarfsspray. Gottseidank habe ich noch ein oder zwei im Rucksack. Ich sollte mir angewöhnen vor dem zu Bett gehen nochmal Ambroxol zu inhalieren. 

Freitag 12. Aoril 

Heute wird es auf jeden Fall eine kurze Etappe. Ich will nur die Knapp 5 Kilometer nach San Pedro de la Ramallosa pilgern, an meinem Blog weiterarbeiten, den Körper erholen, Seele baumeln lassen geht beim Laufen besser. Eigentlich will ich gar nicht erst los. Aber wie sagt mein NLP Coach. Hülft Ja nix. Ich komme gut 500 Meter weit als ein eine Snackbar sehr aromatisch zum Frühstück einlädt, Gambas in Knoblauch, Salat,  Baguette.  Ein großer Milchkaffee, Mann  ist das gut, die Kulisse dazu.

Was ein Frühstück
und der passende Ausblick

Ich gehe weiter, merke, dass die Sonne heut sehr aggressiv ist und Schmier mich erstmal ein. Im nächsten Angelladen kaufe ich mir einen Hut, meinen hat der Atlantik schon in Portugal geholt und in der Apotheke son Labelllo mit LF 30. ich geh ein Stück weiter und krieg kaum Luft. Ich hätte vor den Tomaten Daosin nehmen sollen. Jetzt reagier ich mit Atemnot, aber die waren so lecke ich hab ja nicht mehr weit. Ich bin in 45 Minuten noch nicht mal einen Kilometer weit. Ich krieg kaum Luft und werde jetzt erstmal hochdosiert Kortison nehmen. Denn mein Sauerstoffgerät ist weit. Etwa bei Halbzeit frage ich ein vorbeikommendes Pärchen, sie erklärt mir mehr auf spanisch wie auf englisch wo ich lang muss, ich versteh, wenn es langsam gesprochen wird einiges von dieser Sprache, ich sollte vielleicht doch noch spanisch lernen. Saint Pedro de la Ramallosa ist ein hübscher Ort, er hat gut ausgebaute Rad und Fußwege, fast Barrierefrei, fast deshalb weil sich das Meer ein Stück Uferpromenade zurückerobert hat.

Die Macht der Natur

Ich setz mich in eine Strandbar und nerve meine Kollegen via live Chat, weil ich eine dauerelastische Schraubensicherung benötige, die Kopfsteinpflasterfest ist. Dabei gebe ich als Name Guiseppe Botazzi an, weil ich hoffe an einen älteren Kollegen weitergeleitet zu werden, der noch weiß wer Pepone ist, der kommunistische tiefgläubige Gegenspieler von Don Camillo, einer meiner Trainer hat mich vor kurzem mit ihm verglichen. Ich esse eine Kleinigkeit trink 2 Milchkaffees und sehe 2 Tauben und 2 Möwen etwas uneinig mit den Resten von Touristen umgehen. Da ist bestimmt mein Schutzengel und mein Krafttier dabei.

Schutzengel
Krafttier

Ich gehe weiter zur Herberge, ist ein ganz schöner Buckel, das kann ja heiter werden in den Bergetappen. Wenn mir hier schon die Luft ausgeht. Oben erwartet mich ein wunderbares,  altes Kloster, der Hospitalero spricht kaum Englisch, das bin ich hier gewöhnt. Aber er ist sehr hilfsbereit. Mein Zimmer liegt im Erdgeschoss, Einzelzelle bequemes Bett neu bezogen wunderbar ruhig, ich hab das Bedürfnis zu beten, die Kapelle ist geschlossen. Es geht auch auf dem Bett. Flach liegend ,tief entspannt, ein viertel Stunde mit Gott sprechen und spüren, dass es kein Monolog ist. Danach bin ich wieder voll verheult, aber langsam glaub ich das ist Teil meines Weges. Ich wasch mich, pack Fettcreme auf den Sonnenbrand, den ich mir trotz LF50 geholt habe, Jammer noch ein bisschen rum, trenne die Hosenbeine ab und zieh los zum einkaufen. Ich bekomme tatsächlich mal Alles. Es ist schade die haben im Einkaufszentrum so ein tolles Frischfischangebot und hier in der Herberge gibt es nur eine Mikrowelle. Aber ich nehm mir Erdbeeren mit, bei meiner Lauferei bleibt der Zucker recht niedrig. Ich bleib noch ein wenig im Klostergarten sitzen und komm dann rein um zu schreiben. Gegen 19:30 mach ich mir was zum Abendessen. Telefoniere dann mit meiner Frau, mit dem Kind, das seine Rigips-Platten nicht fest kriegt, nochmal mit meiner Frau bis sie zuhause ist und dann mit meinen Vögeln. Ich befreie meinen Text noch von Autokorrekturen und schicke ihn meiner Frau zum überarbeiten. Mittlerweile ist es 0:30 und ich bin todmüde. 

Samstag 13. April 

Es ist symptomatisch, Kloster kein CPAP, weil ich dachte ich hab genug Kortison im Körper 

Ich träume, ich kann weitergehen, mein Leben wird von Tag zu Tag lebenswerter und wenn, ich wirklich glücklich bin, werde ich abberufen. Ich könne aber auch umkehren, in mein altes Leben zurück und damit alt werden. Ich hab die Wahl, Meine Knie tun höllisch weh. Ich krieg kaum Luft, das Wetter sieht grau aus.

Blick aus meiner Zelle

Ich nehme also Kortison, Schmier meine Knie mit Diclo ein und lauf los, nicht ohne Mutter Maria um einen guten und trockenen Weg zu bitten. Wozu bin wohl sonst hier. Der Weg ist sehr anstrengend und hügelig und geht momentan wieder mal an der Landstraße lang. Meine Vorderräder sitzen schief in der Führung. Kommt wohl von den vielen  harten Schlägen an den Randsteinen. Das erleichtert das Ganze natürlich ungemein. Außerdem leiern meine Verzurrgurte langsam aus. In einer Reifenwerkstatt  frag ich nach Unterstützung, der Mechaniker rüttelt an meinen Vorderrädern, sagt stabil und geht. Ich geh immer bergan aus  Nigrán raus, die Gehwege sind schmal und holprig, die Randsteine hoch, Absenkungen und Fußgängerüberwege häufig zugeparkt.

Die Strassen sind eher unangenehm zu gehen

Es geht eine ganze Weile bergauf, ich komme gewaltig an meine Grenze, vielleicht auch etwas drüber hinaus. An der gefährlichsten Stelle der ganzen Strecke ist der Fußweg wegen einer einsturzgefährdeten Mauer gesperrt. Ich muss an der Straße lang. Das erste Mal auf meinem Weg hab ich etwas Muffensausen. Aber es geht gut. Oben angekommen sehe ich erst mal wieder das Meer.

Jetzt geht es besser. Die Gehwege werden noch schmäler, ich muss immer wieder auf die Straße ausweichen. Aus einer Taverne riecht es verführerisch nach gegrilltem, leider haben Sie keinen Platz für meinen Rollator, Ich ziehe hungrig weiter, finde endlich meine Muschel wieder und laufe Richtung Herberge. Die liegt hoch über der Straße und eine steile Treppe führt hinauf.

Herberge
Treppe

Ich quäl mich hoch um zu sehen ob ich mit dem Rollator eine Chance hab und stell fest, dass es über den Kirchenvorplatz eine Möglichkeit gibt. Ich schiebe meinen Chopper Richtung Kirche, der Aufstieg ist brutal steil, mir graut davor dort morgen wieder runter zu müssen.

Der Weg für den Rollator
Die Kirche ist wunderschön

Ich rufe die angegebene Telefonnummer an und hab einen spanisch sprechenden älteren Herren dran, wie ich später erfahre ist er 77, der ruft erstmal nach Maria, denn die spricht englisch. 5 Minuten später ist der Hospitaleiro da und erklärt mir Alles. Ich verstehe kein Wort, aber seine Gesten sind eindeutig. Kurz darauf kommen noch 2 Spanische Pilgerinnen, eine davon spricht ein klein wenig deutsch. Unterhalb der Herberge von Saians gibt es eine Snackbar mit Kinderparadies, wo Papa wenn er Samstag zum Kartenspielen geht, die Kleinen parken kann. Sieht kindgerecht und sicher aus, da hat sich jemand Gedanken gemacht. Ich will ein spanisches  Omelett bestellen, der Wirt rät dringend davon ab, weil das 12 Eier und mehr als ein Pfund Kartoffeln sind. OK, überzeugt. Ich nehm dann doch lieber Hühnerbrust. Das ist tatsächlich Brust am Knochen mit Haut und Flügel butterzart gegart, ohne trocken zu sein, lecker Salat, Brot, hinterher noch Erdbeeren mit Sahne, das Ganze 5€. Passt. Auf dem Weg zurück werde ich gut nass, aber ich hab ja trockene Klamotten in der Herberge. Nebenan, im Dorfgemeinschaftsraum tobt ein Kindergeburtstag. Wobei, die Kinder hört man eigentlich gar nicht. 

 Ich wird mir noch eine Kleinigkeit zum Abendessen machen und dann mal früher schlafen gehen. 

Sonntag 14. April 

Das mit dem früh schlafen würde nix, der Kindergeburtstag nebenan dauerte bis deutlich über 23:00 Uhr raus, Zum Schluss zerplatzten sie dann noch alle Luftballons  

3 Stunden später wachte ich auf mit höllischen Schmerzen im Rechten und etwas Taubheit im linken Bein. Ab dann war ich alle halbe Stunde wach meine beiden Damen hingegen sägten um die Wette.  

Bei halbwegs brauchbarem Wetter ziehe ich los. Der Wind ist kalt, aber es ist trocken. Ich  gehe erstmal Richtung Meer, 1 km in die komplett verkehrte Richtung. Es geht bergab und ich muss dasVerdrussteil von Rollator ständig festhalten, denn die Bremsen taugen nur für Garten im Altenheim und blockiere ich sie rutscht dieses profillose Teil einfach weiter.

Bergab ist nicht gut

Immerhin finde ich die Straße die ich gestern gehen wollte und endlich meine Pfeile. Ich rufe meine Frau an, erklär ihr Office 365, und lauf dann weiter Richtung Vigo, ein weitgehend angenehmer Weg, nur seh ich seit einer halben Stunde keine Pfeile mehr. Ich bin wohl verkehrt abgebogen, ich laufe in einem tristen Gewerbegebiet, alle Imbisse zu. Ich hab nix gefrühstückt außer einer Banane und einer lecker Orange. 

Ich orientiere mich Richtung Vigo es wird nicht besser.An einem Kreisel, an dem ich geradeaus weiter müsste, muss ich rechts abbiegen wegen der Leitplanken zurück und an der vielbefahrenen Strasse lang ist mir zu riskant.

eigentlich wollte ich hier geradeaus

Das nächste Problem folgt auf den Fuß. Die Leitplanke Ist von einem Crash soweit eingedrückt, dass ich mit den Packtaschen nicht durchkomme. Ich schnall die ab, schieb den Rollator durch das Hindernis, seh wie ein kleiner Typ mittleren Alters sich mit meinen Packtaschen davon machen will. Ich lasse einen furchtbaren Schrei los und lauf mit erhobenen Armen auf ihn zu, er lässt die Taschen fallen und rennt. Mach ich auch gleich wieder weil dieser Sch…Rollator sich mangels Profil schon mal wieder selbstständig macht. Ich schiebe ihn in das nächste Gewerbegebiet. Jetzt hab ich  Technik, Autos, Transport. Irgendwann müssten mal Menschen kommen. Unten angekommen sehe ich als erstes einen Lidl, dann ist wahrscheinlich Mac Fett nicht weit, ich gehe die Straße lang. Florida heißt sie, und stelle fest ich hab mich geirrt, es ist ein Burger King. Ich hab zwar Hunger, aber darauf hab ich nun wirklich keinen Bock. Ich tickere Anne an wegen einer Unterkunft. Sie hat ein paar Tipps für mich, ich such mir das Hotel in Hafennähe aus und rufe vorsichtshalber von unterwegs an, um zu buchen. Was sich als schwierig rausstellt, weil ich kein Spanisch kann. Ich geh dann los 3,5 km kriege ich auch noch hin aber die engen Straßen der Innenstadt, mit vielen Treppen und Google Maps harmonieren nicht so sonderlich.

Wo ist mein Hotel
schöner Ausblick

Ich halte einen Streifenwagen an, ein netter Polizist erklärt mir erstmal, dass es das Hotel nicht gibt. Ich zeige Ihm die Webseite und er erklärt mir einen Weg. Fast richtig nur da kommen wieder Treppen. Ich muss mein Gefährt wieder 40 Höhenmetern hochschieben, Langsam geht mir Vigo auf den Geist. Keine Markierungen, weil der Bürgermeister keine Pilger in der Stadt haben will, in den Kaffees kriegt man keine Stempel. Dann diese steilen Wege, und mein Rollator. Endlich habe ich das Hotel gefunden, mein Zimmer ist erst in einer Stunde fertig, jetzt ist mein Pilgerpass weg. Ich geh ihn suchen, ich hab ja Zeit und noch immer Hunger. Ich finde ihn tatsächlich nach knapp 500 Metern wieder. Mann bin ich froh. Ich gehe Richtung Hotel, finde an der Uferpromenade ein sympathisches Restaurant. Ein freundlicher englischsprechender Kellner gibt mir einen Platz und lecker Oliven. Ich bestell mir ein 500g Ribeye mit Kartoffeln und bekomme nach kurzer Zeit ein mächtiges, butterzartes Steak mit frischen Kartoffelchips und gegrillten Peperoni.

Dass ist mal ein ordentliches Stück Fleisch

Diese Steak rettet meinen Tag und versöhnt mich mit Vigo. Ich geh zum Hotel, dort sitzt ein Typ der kein Wort englisch kann und mir bei biegen will, dass er nichts frei hat. Ich verweisen ihn darauf, dass seine Kollegin mir für oktscho ein Zimmer zugesagt hat und ich einstweilen schon meine Packtaschen dagelassen hab. Ich krieg mein Zimmer. Der Aufzug und mein Rollator werden vermutlich nie Freunde. Das Ding ist zu klein. Ins Zimmer krieg ich den Chopper nur leicht gefaltet. Der nächste Schreck, der Raum hat kein Fenster ins Freie,stattdessen aber zum Flur, Ich hoffe es findet ein Luftaustausch statt. Das Wasser wird nicht warm in der Dusche, ich drehe von warm auf kalt und stelle fest, die haben die Röhre vertauscht. Wissen muss mans. Ich stell meinen Wecker und hoffe dass die Nacht besser wird als die letzte. 

Montag 15. April 

Ich habe halbwegs gut geschlafen, aber nicht ausgeschlafen, ich checke den Wetterbericht. 

Regen, Regen und nochmal Regen, zur Sicherheit schau ich noch mal raus.

Sauwetter

Die Briten sagen hierzu it´s raining cats ans dogs. Bei dem Wetter komm ich den steilen Berg vor Redondela niemals unfallfrei runter. Vor Allem nicht mit meinen Verdrussbremsen. Ich frag nach ob ich das Zimmer noch eine Nacht haben kann, geht. Ich versuche eine Fahrradwerkstatt aufzutreiben, die sich um meine Bremsen kümmert. Die einen haben zu die andern können sowas nicht. Mist, ich will ein paar Funktionsshirts kaufen, bei XL ist Schluss. Eine Verkäuferin im Outlet eines Herzogensuracher Labels versichert mir allen Ernstes, die werden nicht größer als XL produziert. 

Ich klappere die ganze Fußgängerzone und ein Einkaufszentrum ab. Immer das gleiche. In der Zwischenzeit bin ich tropfnass.

so macht das keinen Spass
auf die Nase gelegt
und zwar gewaltig

Ich geh erstmal lecker frühstücken, hol mir in der Touristinformation noch einen Stempel, geh wieder ins Hotel und vertrödle den Nachmittag, mit lesen, zocken, pennen 

Ohne schlechtes Gewissen, einfach so. Um halb acht zieh ich mich an um essen zu gehen, da erwischt mich wieder einmal mein Asthma eiskalt. Und kein Fenster zum öffnen. Nach 10 Minuten ist der Spuk wieder vorbei. Es hat aufgeklart, strahlender Sonnenschein, ich lauf nochmal eine Stunde durch den Hafen und genieße den Abend.

Vigo ohne Regen
schön

Dann geh ich in einen Paellaladen, will bestellen und stell wieder einmal fest, ich bin in einem internationalen Seehafen, die meisten Boote hier laufen nicht unter spanischer Flagge, aber kein Kellner spricht englisch. Ich bestell aus der Karte eine Paella und einen Salat ohne Tomate, Fragezeichen in den Augen, No Tomato, er schüttelt den Kopf ohne Tomate geht nicht. )5 Minuten später kommt er mit einem Zettel, auf dem steht, dass es Paella nur von 12 bis 14 Ihr gibt. Also lande ich im gleichen Laden wie gestern, bei einem anderen Kellnet, der spricht wie soll’s anders sein nur spanisch. Am Ende esse ich das gleiche wie gestern. 500g Entrecote Medium mit frischen Kartoffelchips und gegrillte Peperoni. Als ich das El Puerto verlasse ist es bereits dunkel und ich schlendere noch durch den Hafen ehe ich in mein Hotel zurückkehre.  

bei Nacht

Vor den Kommenden Etappen muss ich mein Gepäck umorganisieren und einen kopflastigen Rollator kann ich in den Hügeln sicher nicht gebrauchen. Der CPAP kommt in die Lebensmitteltasche, da ist dann noch Platz für eine Getränkeflasche.ich bin müde, leg mich hin, gegen 2 Uhr Atemnot, Panik, bis ich richtig wieder atmen kann dauert es einen Moment, ich wird versuchen wach zu bleiben. Um 5 das Gleiche nochmal. Das Nautico ist ein wunderbar, preisgünstiges Hotel, aber lasst euch nie ein Zimmer mit der 03 abdrehen, die haben als einzige keine Fenster. 

Dienstag 16. April 

Um 8:30 hab ich meinem Krempel endlich so sortiert, dass es für die Berge passt. Ich brauch nur noch etwas Sicherungsmaterial eine Feile um die Verdrussbremsen aufzurauhen, der Hersteller lässt mich einfach im Regen stehen, und WD40. Alfredo, der Rezeptionist, hilft mir noch mit dem Gepäck nach draußen und erklärt mir grob den Weg.

Mein Weg
Da will noch einer weg
Wo bin ich?

Letzte Nacht hat es wieder geregnet und der kurze Weg nach Redondela ist mir zu riskant. Lieber gehe ich wieder am Meer lang, auch wenns weiter ist. Ich verfranse mich wie immer und frag einen freundlichen Polizisten, der erklärt mir den Weg zum Bahnhof und sucht auf seinem Handy den Fahrplan, seine Kollegin versteht dass ich tatsächlich laufen will und weist mir den Weg über die nächsten 3 Kreisel 

Es geht immer bergauf, ich setz mich auf eine Bank um den Weg zu checken, da kommt eine ältere Dame, die wohl extra deshalb umgedreht hat, und fängt wort- und gestenreich an auf mich einzureden 

Ich verstehe schon spanisch kaum, aber dieser Dialekt ist schon etwas befremdlich. Was ich verstehe ist den Berg weiter hoch und dann immer geradeaus. Ich bedanke mich und sie geht wieder ihrer Wege. Ich treffe sie noch zweimal und immer fuchtelt sie lächelnd und wortreich Richtung Redondela. Nach 2 km merke ich dass ich meinen Schal im Hotel vergessen habe. Umkehren? Kommt gar nicht in Frage. Ich ruf Alfredo an, er sagt zu, ihn aufzuheben bis ich nächstes Jahr wiederkomme. Schaumermal. In einem Asialaden erstehe ich einen neuen hellblauen, außerdem Kabelbinder, Zange, Imbussatz, WD40. Die Bürgersteige sind eine Katastrophe, zugeparkt, Unkraut wächst 1 Meter hoch. Zu eng, schräg, hohe Randsteine, löchrig, Zebrastreifen zugeparkt. Es nervt. Gehsteig hoch, Gehsteig runter, ich bleib mit den Packtschen hängen, So geht mir das heut den ganzen Tag. Als ich aus Vigo raus bin wirds besser

letzter Blick auf den Hafen
Sie hat posiert bis ich sie fotografiert habe

Pfeile hab ich genau 2 gesehen. Den nächsten dort wo soviel Rollstuhlfahrer verunglücken, den Weg hatte ich sein lassen, weil es wieder regnen sollte 

Noch einen nach 1 km noch einer auf der Leitplanke, und ein paar runde gelbe Flecken, da hat offenbar irgend ein Stratege versucht den Weg unkenntlich zu machen. Ich hab ja mein Navi auf dem Handy. Dann auf der gefährlichsten Kreuzung auf dem Ganzen Weg fällt Google plötzlich ein, dass auf der Uni Duisburg jemand unterrichtet der so heißt wie meine Herberge, will mich nach Duisburg schicken, und vergisst die ursprüngliche Adresse. Ich geh erstmal ein Stück weiter, bis ich Von der Nationalstrasse runter bin bin. Da sind 3 Pfeile auf 20 Meter. 1 km weiter bin ich in der Herberge, nur die ist voll, die nächste ist voll die nächste hat zu, die nächste in der ich waschen kann ist 7 km  weg. Das werden wir auch noch schaffen. Schade, Redondela ist ein netter Ort.

En richtig klarer Fluss

Ich brauch ein anderes Navi. Der erzählt mir ich soll links runter auf der anderen Seite wieder hoch. Es erzählt mir , wenn ich auf der Straße bleibe ist 13 Minuten Umweg. Stimmt nicht, aber der Aufstieg bringt mich fast um. Ich krieg fast 10 Minuten kaum Luft. Der Weg zieht sich gewaltig. 

Der Weg ist wunderbar, jedoch anstrenged

Am Ortseingang von Arcada steht ein Hotel,ich bin geneigt die 700 Meter sein zu lassen und einzuchecken. Ich kann nicht mehr. Ich raff mich nochmal auf und geh zur Herberge O Recuncho de Peregrino, die ist als behindertengerecht ausgewiesen am Eingang eine enge lange Treppe. Ich will schon schimpfend weiterziehen, als 2 Mädels aus Stuttgart sich anbieten oben zu fragen. Der Hospitaleiro , Miguel, bietet mir an im großen Raum im Erdgeschoss zu übernachten aber alles andere ist oben. Passt er lässt mich unten rein. Hier ist tatsächlich alles behindertengerecht. Breite Gänge, gut erreichbarer Sanitärbereich. Miguel bietet mir an Alles was ich brauche nach unten zu bringen. Die paar Treppen komm ich hoch. Miguel bietet auch an für kleines Geld meine Wäsche zu waschen. Das nehme ich gerne an. Er hat einen kleinen Shop dabei. Ich hol mir Pizza und Wasser. Unterhalte mich, bis meine Pizza durch ist, noch mit ein paar Pilgern und geh schlafen, mir stecken heute die 23 km ganz schön in den Knochen.

Blick aus dem Küchenfenster
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